Beim Kläger liegt eine hochgradige Fertilitätsstörung vor, die Ehesterilität verursacht und nur mittels einer Sterilitätsbehandlung in Form einer kombinierten IVF- und ICSI-Behandlung behoben werden kann. In der Vergangenheit hatte die private Krankenversicherung des Klägers die Kosten für zwei Behandlungszyklen übernommen. Der zweite Zyklus hatte zur Geburt eines gesunden Kindes im Jahr 2001 geführt. Der Kläger und seine Ehefrau wünschen sich ein zweites Kind. Der Kläger verlangt daher von der beklagten Versicherung die Kostenübernahme für vier weitere Behandlungszyklen.
Die Versicherung wendet ein, durch die Geburt des ersten Kindes seien die Folgen der im medizinischen Sinne nicht heilbaren Krankheit des Klägers bereits gelindert. Die Durchführung weiterer Maßnahmen stelle deshalb keine Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar. Angesichts der Kosten von 8.000,- € pro Zyklus verstoße die Forderung des Klägers auch gegen das gegenüber der Versicherungsgemeinschaft bestehende Rücksichtnahmegebot.
Die für Versicherungssachen zuständige 12. Zivilkammer des LG München I hat die Beklagte verurteilt, die Kosten für bis zu vier Zyklen zu übernehmen, längstens bis zur Geburt eines zweiten Kindes.
Nach Auffassung des Gerichts tritt durch die Geburt eines ersten Kindes keine abschließende Linderung der Unfruchtbarkeitsfolgen ein. Aufgrund eines neuen Kinderwunsches liegt ein neuer Versicherungsfall vor, der Anspruch auf erneute Behandlungsmaßnahmen im Sinne einer erneuten Linderung begründet. Das Gericht nimmt damit in dieser kontrovers diskutierten Frage ausdrücklich einen anderen Standpunkt als das OLG München ein.
Der Wunsch nach einem zweiten Kind falle keinesfalls aus dem Rahmen und sei zweifelsfrei sozial verständlich und angemessen. Im konkreten Fall seien die sich für die Versicherungsgemeinschaft ergebenden Belastungen auch nicht unverhältnismäßig, zumal der Kläger bezüglich des ersten Kindes von den vier ihm zustehenden Zyklen nur zwei in Anspruch genommen habe.
Az.: 12 O 9128/04